Ausgabe

Denn seinen Namen vergisst man nicht. In Erinnerung an Éva Fahidi-Pusztai, s. A. (1925 – 2023)

Monika Kaczek

Bis ins hohe Alter engagierte sich die ungarische Auschwitz-Überlebende Éva Fahidi-Pusztai gegen das Vergessen des Holocaust. Als Zeitzeugin warnte sie vor rechtspopulistischen Gefahren.

Inhalt

Éva Fahidi wurde am 22. Oktober 1925 im ungarischen Debrecen als Tochter des grossbürgerlichen Holzhändlers Deszö Fahidi und seiner Gattin Irma geboren. Acht Jahre später kam das langersehnte Schwesterchen Gilike zur Welt. Nachdem die jüdische Familie 1936 zum Katholizismus konvertiert war, besuchten Éva und ihre Schwester eine Klosterschule. Dort lernte das Mädchen Latein, Französisch, wurde eine begeisterte Sportlerin und bereitete sich auf die Musikakademie in Budapest vor.

 

Als am 19. März 1944 die Deutsche Wehrmacht Ungarn besetzte, musste die Familie Fahidi ins Ghetto übersiedeln. Ende Juni wurde die jüdische Bevölkerung der Stadt in einer Ziegelfabrik zusammengetrieben und in mehreren Transporten nach Auschwitz deportiert. Im letzten Transport am 27. Juni 1944 wurden auch die Fahidis nach Auschwitz-Birkenau verschleppt. Nach der Ankunft wurde Éva Fahidi von ihrer Mutter und Schwester getrennt, die beide in den Gaskammern ermordet wurden. Der Vater starb wenig später an den Bedingungen im Lager. Éva Fahidi wurde nach der Ankunft in Auschwitz-Birkenau am 1. Juli 1944 als arbeitsfähig" eingestuft und musste im KZ Münchmühle, einem Aussenlager von Buchenwald im hessischen Allendorf, in einem Sprengstoffwerk der Dynamit Nobel AG Zwangsarbeit leisten. Die Befreiung durch U.S.- amerikanischen Truppen erfolgte am 30. März 1945.

 

Im November 1945 kehrte Éva Fahidi nach Ungarn zurück, wo sie von einer Schwester ihrer Mutter aufgenommen wurde – der einzigen Verwandten, die mit Mann und Tochter überlebt hatte. Durch die schwere Arbeit im Rüstungsbetrieb in Allendorf körperlich beeinträchtigt, konnte sie ihren Traum von einem Leben als Pianistin nicht mehr verwirklichen und musste als Hilfsarbeiterin arbeiten. Éva Fahidi-Pusztai gründete 1989 ein kleines Unternehmen für den Export von Handarbeiten. In Erinnerung an ihre Schwester wählte sie als Markennamen Gili und das Logo war ein kleines tanzendes Mädchen mit Zöpfen.

„’Wenn Gili irgendwo lebt und ihr zufällig so eine Handarbeit in die Hände kommen würde, würde sie erkennen, dass es eine an sie gerichtete Botschaft war. Denn seinen Namen vergisst man nicht’, schreibt Éva Pusztai in ihrem Buch Die Seele der Dinge."1

 

Mit ihrem Ehemann Béla Pusztai adoptierte sie zwei Kinder. Éva Fahidi-Pusztai erklärte sich bereit, 2013 in Stuttgart als Zeugin der Nebenklage in den Strafprozessen gegen die ehemaligen KZ- Aufseher Hans Lipschis und Johann Breyer auszusagen:

„‘Erst hatte ich Angst, aber jetzt will ich in allen Prozessen gegen SS-Menschen aussagen, die in Auschwitz-Birkenau waren, als ich da war‘, sagt Eva Fahidi. ‚Vielleicht hat einer von ihnen zugeschaut, wie meine Mutti und meine kleine Schwester ins Gas gingen.‘ Eine Verurteilung der ‚alten Trottel‘, wie sie sagt, ist ihr nicht wichtig. Es geht ihr um ein Zeichen.“2

 

Éva Fahidi-Pusztai starb am 11. September 2023 Budapest. Ihre Erinnerung wird nie vergessen werden.

„Wir sind Grosseltern und das Schicksal unserer Enkelkinder ist uns das Wichtigste. Ich selbst bin mit vier Enkelkindern an der Zukunft interessiert. Das Beste, was ich ihnen wünschen kann – wenn es auch noch so utopistisch klingt – ist, dass sie sich ein angstloses Leben schaffen. Dass sie sich eine demokratische Gesellschaft erbauen, in der institutioneller Hass unbekannt ist.“ Éva Fahidi-Pusztai 3

 

Anmerkungen

1 https://www.topfundsoehne.de/ts/de/bildung_forschung/interviews-mit-ueberlebenden/eva_fahidi-pusztai/index.html (26.09.2023)

2 o.V.: Auschwitz-Prozess. Dem Unsagbaren eine Stimme geben. In:  Berliner Zeitung, 19. 09.2023, https://www.berliner-zeitung.de/auschwitz-prozess-dem-unsagbaren-eine-stimme-geben-li.17534 (26.09.2023)

3 https://www.buchenwald.de/geschichte/biografien/ltg-ausstellung/eva-fahidi-pusztai (13.09.2023)

foto_eva_fahid-pusztai.jpg

Éva Fahidi-Pusztai bei einem Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe Erinnern heisst Partei ergreifen am Gymnasium Bünde (Deutschland), 9. November 2019. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei:

https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%89va_Fahidi#/media/Datei:%C3%89va_Pusztai-Fahidi,_B%C3%BCnde,_9.11.2019.jpg ; https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en