Ausgabe
Ein Stück Himmel In Erinnerung an Janina David, s. A. (1930 – 2023)
Monika Kaczek
Mit 13 Jahren konnte Janina David aus dem Warschauer Ghetto fliehen und überlebte den Zweiten Weltkrieg in einem Kloster. Nun ist die Autorin mit 93 Jahren gestorben.
Inhalt
Janina David wurde als Janina Dawidowicz am 19. März 1930 in der polnischen Stadt Kalisz geboren, wo sie als einziges Kind eines wohlhabenden Mühlenbesitzers aufwuchs. Nach dem deutschen Überfall auf Polen flohen die Eltern mit ihrer Tochter nach Warschau, wo sie ins Ghetto eingesperrt wurden. Da Janina Davids Vater Marek dort als Polizist beim Jüdischen Ordnungsdienst tätig war, blieb die Familie zunächst von einer Deportation verschont:
„Janina Davids Schilderungen des Ghettolebens sind gleichermassen schrecklich wie bizarr: Auf der Strasse liegen Leichen von Verhungerten, über die die Begüterten hinwegsteigen auf dem Weg ins Restaurant. Janina berichtet von einem Mädchen, das von ihrer Gouvernante zum Spielplatz begleitet wird und ausschliesslich Französisch spricht; andere Kinder spielen im Hinterhof Erschiessen und Vergasen."1
Nachdem die Eltern ihr Kind aus dem Ghetto herausgeschmuggelt hatten, wurde das Mädchen von Lydia Grabowski, einer Bekannten seines Vaters, versteckt. Mithilfe ihres Mannes konnte Lydia Grabowski für Janina David gefälschte Personaldokumente verschaffen, die sich nun unter dem neuen Namen Danuta Teresa Markowska als Katholikin ausgab. Anschliessend wurde sie vom Orden der Franziskus-Schwestern von der Familie Mariens (Zgromadzenie Sióstr Franciszkanek Rodziny Maryi) aufgenommen, in deren Kloster in Płudy sie von Juli 1943 bis Jänner 1944 versteckt wurde. Im Anschluss daran wurde Janina David in ein Warschauer Waisenhaus gebracht, das allerdings aufgrund des Warschauer Aufstandes evakuiert werden musste. Die Kinder des Heims wurden nach Kostowiec transferiert, das südwestlich von Warschau lag, wo sie das Ende des Krieges erleben konnten. Während Janinas Vater vermutlich im KZ Majdanek ermordet wurde, blieb das Schicksal der Mutter unbekannt.
Im Jahre 1946 verliess Janina David ihre polnische Heimat, um bei einem Onkel in Paris zu leben. Später wanderte sie nach Australien aus, wo sie ein Studium der Psychologie, Geschichte und Sprachen an der Universität Melbourne abschloss. Während einer Europareise beschloss sie, 1958 nach London zu ziehen, wo sie als Sozialarbeiterin in Spitälern tätig war. Im darauffolgenden Jahr begann Janina David mit dem Aufzeichnen ihrer Erinnerungen, wobei anfänglich bei ihr keine hohen literarischen Ansprüche vorherrschten:
„’Es war wie der Versuch einer Psychoanalyse, ohne zum Psychiater zu gehen. Ich wollte mit niemandem anderen, nur mit mir selbst reden.’ So entstand das Manuskript »Ein Stück Himmel«. 1962 unternahm sie eine Reise nach Polen, um Zugang zu den Wurzeln ihrer Vergangenheit zu finden."2
Zwei Jahre später erschien ihre Autobiografie unter dem Titel A Square of Sky: A The Recollections of a Childhood/Ein Stück Himmel. Erinnerungen an eine Kindheit, die 1982 vom WDR mit der tschechischen Schauspielerin Dana Vávrová in der Hauptrolle verfilmt wurde:
„Janina David (…) sagte zu der Verfilmung ihrer Kindheitserinnerungen beinahe verblüfft, dass es ihr offenbar durch die Distanz gelinge, ihre eigene Geschichte zu betrachten: ‘Ich habe sie auf Polnisch erlebt, auf Englisch geschrieben, dann wurde sie ins Deutsche übersetzt und in ein neues Medium übertragen.’"3
Bereits 1966 folgte der zweite Band von Janina Davids Memoiren unter dem Titel A Touch of Earth. A Wartime Childhood / Ein Stück Erde. Das Ende einer Kindheit. Das dritte Werk Light Over the Water. Post-war Wanderings / Ein Stück Fremde. Erinnerungen an eine Jugend (1995) schildert die Zeit nach 1945. Seit 1978 arbeitete sie hauptberuflich als Übersetzerin von Kinder- und Jugendbüchern sowie von Hörspielen und Autorin. Janina David starb am 22. Oktober in London.
Anmerkungen
1 https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/jaehes-ende-einer-kindheit/ (01.11.2023)
3 ebd.
