Ausgabe

Superjuden Jüdische Identität im Fussballstadion

Berthold Schäffner

Das Jüdische Museum Wien zeigt in seiner aktuellen Ausstellung „Superjuden. Jüdische Identität im Fussballstadion“ vielerlei kultur- und sozialgeschichtliche Zusammenhänge des Fussballsports auf, der weltweit Menschen verbinden und gesellschaftliche Grenzen überwinden kann.

Inhalt

Wie kam es zum provokanten Slogan „Superjuden“? Hierzu gibt es eine soziologische Erklärung: Die Heimspielstätten von Ajax Amsterdam lagen in traditionell jüdischen Vierteln und der Klub wurde von gegnerischen Fans als „Juden“ beschimpft. In den 1970er Jahren deuteten die Fans diese Beschimpfung positiv um und nannten sich nun selbst Juden und schwangen als „Superjuden“ (Assoziation „Superman“) israelische Fahnen. Auf fünf prominente Fussballklubs und deren mehr oder weniger jüdische Identität wird in der Ausstellung eingegangen: First Vienna Football-Club 1894, der eng mit Haus Rothschild verbunden ist. Fankollektiv „Partisan Rothschild“; FK Austria Wien, dessen Spieler und Funktionäre überwiegend jüdisch waren; Ajax Amsterdam (vor dem 2. Weltkrieg wurde diese Stadt als „Jerusalem des Westens“ bezeichnet); Tottenham Hotspur Football Club, deren Anhänger sich „Yids“ nennen; FC Bayern München. In Israel ist der letztgenannte Verein besonders beliebt. Kurt Landauer war vor 1933 und nach 1947 dessen prominenter jüdischer Präsident. 33 Tage lang war er im KZ Dachau interniert. Heute vermarktet der Club seine jüdische Vereinsgeschichte mustergültig und zum Stadion des FCB gelangt man seit 2005 über den Kurt-Landauer-Weg.

 

Viele Texte handeln von der Geschichte des europäischen und jüdischen Fussballs, dessen Zentrum Wien einst war. 1909 wurde der Allroundsportverein SC Kahoh gegründet, ein Symbol jüdischer Identität und Stärke. Die Fussballabteilung war so beliebt, dass es sogar zeitweise zu einem Aufnahmestopp kommen musste. Auch weil es recht bald ein Verbot für Juden gab, in bürgerlichen Sportvereinen aktiv zu sein, entstand eine eigenständige jüdische Sportbewegung. 1938 lösten die Nazis alle jüdischen Vereine auf und beschlagnahmten deren Sportstätten. Die Ära des erfolgreichen jüdischen Fussballs endete mit der Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Es geht in der Ausstellung hauptsächlich um die „dritte“ Halbzeit nach dem eigentlichen Fussballspiel, die den Fans gehört. Es werden positive Emotionen lebendig, also „Identität“, aber auch feindselige Einstellungen geäussert, die gegnerischen Fans herabgesetzt und gegenseitig provoziert. In neuerer Zeit ist auch rassistische oder antisemitische Hetze festzustellen. Ist es kulturelle Aneignung oder Fake-Identität, wenn pseudojüdische Fangruppen Fahnen mit dem David-Stern schwingen und hebräische Lieder singen? Auch darüber nachzudenken, regt die Ausstellung an, die bis 14. Jänner 2024 im Jüdischen Museum Wien, Dorotheergasse zu sehen ist.

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Ausstellungsdoku Superjuden. © JMW David Bohmann 03.

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Ausstellungsdoku Superjuden. © JMW David Bohmann 51.

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Ausstellungsdoku Superjuden. © JMW David Bohmann 52.

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AustriaKippa. © JMW Tobias de St. Julien.

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Fussball-Chanukkaleuchter. © Jüdisches Museum München.

 

Alle Abbildungen: JMW, mit freundlicher Genehmigung.